Freitag, 5. November 2010

Zwischen Gott und dem Teufel

Aus China hoeren wir immer wieder, dass dort soundsoviele Bergarbeiter umgekommen sind. Meistens verschuettet oder eingeschlossen und erstickt. Die DRS-Meldung hoert dann meistens immer gleich auf - mit einer Statistik. Z.B.:

"Im vergangenen Jahr starben in chinesischen Kohlebergwerken nach offiziellen Angaben mehr als 2'600 Menschen. Die tatsächlichen Zahlen dürften allerdings noch deutlich höher liegen."

Ich, Silvan, habe beschlossen, eines der gefaehrlichsten Bergwerke der Welt zu besuchen. Nicht in China, logisch, aber in Potosí, Bolivien. Angestachelt von der unsaeglichen (emotionalen und geografischen) Distanz zwischen meinem Arbeitsplatz und oben genannten Nachrichten.

Seit der Kolonialzeit wird der Cerro Rico ("reicher Berg") in Potosí durchloechert, in der Hoffnung, moeglichst viel Silber und Zink zu finden. Hunderte Minen stecken in dem Berg. Die Mineure arbeiten in Eigenregie. Heisst: Sie bestimmen, wie viel sie arbeiten. Auch muessen sie saemtliche Ausruestung selbst bezahlen (von der Schutzbekleidung ueber den Sprengstoff bis hin zur Schaufel). Der Anfangslohn eines Mineurs liegt bei ca. 750 Bolivianos pro Monat. Knapp 110 Franken. Wer ein paar Jahre dabei ist, schafft's zum so genannten "1. Mineur". Diese arbeiten an der Front mit Presslufthammer und Sprengstoff, gefaehrlicher und noch ungesuender, dafuer gibt's pro Monat bis zu 350 Franken.

Spaetestens nach 10-15 Jahren in der Mine ist Schluss. Dann sterben die meisten Bergarbeiter an Silikose. Ihre Lunge ist vernarbt und verklebt, sie ersticken. Andere (weitaus mehr) werden von Felsbrocken erschlagen oder eingeschlossen. Auch sie ersticken und hinterlassen oft eine Familie. Von der Witwenrente kann man hier keine Familie ernaehren. Also ruecken die Mineurs-Soehne nach. Denn Frauen duerfen in Potosí nicht in den Minen arbeiten. Das bringe Unglueck, so der Glaube. Der juengste Mineur, der zur Zeit im Cerro Rico fuer seine Familie schuftet, ist 11 Jahre alt (laut offiziellen Angaben). Aber was heisst schon "offiziell" in einem Umfeld, das seine Regeln selbst definiert?

Gemaess eben diesen offiziellen Angaben der 37 verschiedenen Kooperationen arbeiten 10'000 bis 12'000 Menschen in Potosí im Bergbau (zwischen 4'200 und 4'600 m. ue. M.). Also rund 1/10 der Bevoelkerung von Potosí. Letztes Jahr habe der Berg 65 Kumpel "gefressen".

Mein Besuch dieser unwirklichen Arbeitsstaette begann steil: Mit einem Einkauf im Mineuren-Laedli. Der Ort, wo die Kumpel ihr Material einkaufen. Neben Stiefeln, Lampen, Cocablaettern und Suessgetraenken bekommt man hier auch alles, was es zum Sprengen braucht. Ohne Bewilligung und Papierkram. Ein Saeckchen mit Lunte, Sprengstoff und Sprengverstaerker kostet laeppische 20 Bolivianos. Rund 3 Franken. Ich kaufte 5 Ladungen und eine grosse Flasche Orangina, um sie spaeter den Schwerstarbeitern zu schenken. Danach noch kurz eine Raffinerie besichtigt, wo das Material der Minen veredelt und exportbereit (fuer China, Japan, Russland,...) gemacht wird. Nun fuhren wir mit den Jeep zum Cerro. Den Sprengstoff zwischen den Beinen auf dem Boden. Bei der Mine angekommen ging's rund 500 Meter in den Berg. 2 Stunden waren Luke aus England, unser Fuehrer und ich unterwegs. Immer wieder mussten wir rennen und den rund 2 Tonnen schweren Wagen Platz machen, mit denen die Mineure das Rohmaterial umher transportieren. Die Wagen haben keine Bremse. Wir husteten viel, wegen des Staubs und der Anstrengung. Das Tuch ueber Mund und Nase nuetzte so gut wie nichts. Die 4 Ebenen der Mine sind durch einen staubig-steinigen Kriechgang verbunden. Ich dachte mir: Gut, dass ich mir enge Hoehlenbegehungen gewohnt bin.

Nach der Hoellentour demonstrierte uns der Fuehrer die Kraft der mitgebrachten Sprengladungen. Wir bauten sie selbst zusammen und er brachte sie in sicherer Distanz zur Explosion.

Franziska blieb waehrend der ganzen Zeit in der Stadt zurueck und war froh, als ich zur abgemachten Zeit zur Café-Tuer reinkam (ich ehrlich gesagt auch ;-))...

Fuer Interessierte gibt's den preisgekroenten, Dokumentar-Film "The Devil's miner". Er wird selbst von den Mineuren in Potosí als sehr authentisch bewertet.

Oben: Das Objekt der Begierde - der Cerro Rico
Unten: Eine der Raffinerien. Sie kaufen den Mineuren das Erz ab und machen es exportbereit. 

Oben: Schon am Eingang der Mine "Candelario" kommt das erste Wasser
Unten: Sicherheitsstandards sind oftmals eine Frage des Geldes. Holz ist die billigste Loesung.

Oben: Der Sauerstoffmangel hat mir schon etwas zugesetzt
Unten: Die Kumpel karren einen Erzwagen zur Verladestelle. Leergewicht ca. 500 kg. 

Oben: Material von Level 3 wird runter zu Level 4 gefugt
Unten: Wenn der Wagen kommt gibt's nur eines: Aus dem Weg!


Oben: Angekommen. Nun muss das rund 2 Tonnen schwere Ding geleert werden.
Unten: Auf dem Weg zum naechsten Verladen haut's den Wagen erneut von den lausigen Schienen.


Unten: Pedrito (15) nimmt's locker. Das passiere mehrmals taeglich...

Oben: El Tío - der Teufel. Jede Mine hat ihr eigenes Abbild des Teufels. Jeden Freitag beschenken die Kumpel ihn mit Cocablaettern, Alkohol oder Zigaretten. Auf dass er sie nicht bestrafen moege, obwohl sie immer weiter in sein Reich eindringen. Sonntags dann, geht's in die Kirche - Gott anbeten.
Oben: Draussen angekommen, bauen wir die Sprengladung selbst
Unten: Der Guide bringt sie fuer uns zur Detonation

3 Kommentare:

  1. Hallo Fränzi, ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag. Goerbs

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  2. Hoi Fränz

    Ou ech wönsche der alles Gueti zom Gebortstag ond för die kommende Johr nor's Beschti! D'Helen & de Philipp send weder dehei ond ücher Wohnig gots guet - be gester schnell donde gsi.

    Öbrigens wössed ehr scho, wo ehr im Februar send? Ech ha grad en Monet Ferie ond go ergend wo döre go reise. Südamerika stod aber relativ höch of de Liste.

    Liebi Grüessli
    Eveline

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  3. Hey Fränzi

    Au ech schliess mech a ond wönsche der alles Liebi ond Gueti zom Gebortstag!
    Üchi Blog esch toll, ehr möchid das super! Fröi mech emmer öber News:-)

    So, i wönsch üch wiiterhen en guete Ziit, take care, nici

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