Samstag, 27. November 2010

Irrfahrt ins Glueck...

...ein perfekter Titel fuer eine Seifenoper. Oder aber die kuerzest moegliche Umschreibung dieser Woche. Der Reihe nach.

Fuer suedamerikanische Verhaeltnisse sind ja 11 Stunden Busfahrt gerade mal eine verkuerzte Kaffeefahrt. Also sagten wir uns: "Ein Abstecher nach Mendoza, Argentinien - das machen wir noch vor dem Zmorge (denn schliesslich werden wir drueben ja erwartet...)."

Mit chilenisch-schweizerischer Puenktlichkeit verliessen wir La Serena um 23 Uhr. Das war dann aber so ziemlich das Einzige, was nach Plan lief: Wir machten unerwarteterweise eine Schlaufe durch Santiago und mit einem 12-Plaetzer gings dann von der Hauptstadt ueber die Anden nach Mendoza. S'dauerte "dank" dem uns vorenthaltenen Abstecher am Ende 15 Stunden. Da hat man wenigstens was fuer's Geld.

Ah - was vergessen: Wer hat schon mal einem Zollbeamten ein Trinkgeld gegeben fuer's Kontrollieren der Taschen und Rucksaecke? Niemand? Wir auch nicht. Aber das waere in Argentinien offenbar ueblich: Nach der Kontrolle kommt der Chauffeur mit einem Baecherli vorbei und sammelt ein. Kam uns vor wie die Kollekte in der Kirche.

Endlich in Mendoza angekommen, empfing uns Evelyn (ein Physio-Schulgspaendli von Franziska und ETTISWILERIN. Jawohl!) herzlichst. Yeah, endlich wieder mal ein bekanntes Gesicht! Evelyn ist gerade in Argentinien "on the road" und weil das ja gleich um die Ecke ist, trafen wir uns det - ennet em Baergli. Zu unserem Glueck war Evelyn schon 2 Tage durch die Stadt gestreift und bewies sich als blendende Stadtfuehrerin. Mendoza gefiel uns drei bestens: Wo man hinblickt hat's Baeume, die die Strassen saeumen, Paerke mit Springbrunnen und Schattenbaenkli fuer ausgiebige Plauderstunden (wahlweise auch mit Sonnenplaetzen - fuer jene, die die Hitze besser "(v)ertragen" als die Berggeissen ;-)).

Mendoza ist bekannterweise umgeben von Weinguetern. Was uns naetuerlich nicht kalt gelassen hat. Wir machten uns auf zu einer Degustations-Tour mit dem Velo. (Ja, ja... der Alkohol hat uns im Griff! ;-)) Doch leider liess sich die Tatsache, dass bei uns schon Halbzeit ist, nicht im Wein ertraenken. Wir haben's probiert. Siehe unten. ;-)

Einigermassen spontan haben wir (SF) uns entschieden, wieder mal die Schulbank zu druecken: In Valparaíso bei Santiago de Chile (ja, am Meer), werden wir die naechsten 2 Wochen intensiv an unserem español feilen. Mal schauen, was raus kommt. An den Wochenenden wollen wir nach Santiago fahren. Dort werden wir hoffentlich endlich ein gaebiges Zelt finden. Ganz sicher werden wir aber im Traeger-T-Shirt darueber sinnieren, wie's wohl waere, gerade zuhause Schnee zu schaufeln (schoene Bilder im Internet!).





 Oben: Aller guten Dinge sind 3 - eis hemmer no emmer gnoh...
Unten: Aebe! Zum Absch(l)uss Absinth mit 76 % vol.

Schoene, karge Felslandschaft zwischen Chile und Argentinien.

Sonntag, 21. November 2010

Grappa ist "bullshit"

Ein Kurzabriss der letzten anderthalb Wochen. Diese fuehrten uns durch den Norden von Chile. Vorbei...

  • an riesigen Geysiren und "Plubberloechern"
  • an einem der vielen Observatorien. Nordchile gilt als beste Region auf der Suedhalbkugel, um den Nachthimmel zu beobachten.
  • durch groessere und kleinere Staedte, mit einem viel hoehren Standard des taeglichen Lebens als in den bisherigen Laendern. Z.B. ist das Wasser grundsaetzlich wieder vom Hahnen trinkbar. Die riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiesigen Supermaerkte und Shoppingcenter haben uns gerade ein bisschen ueberfordert. Da ist der Surseepark ein Furz dagegen.
  • am Nationalpark Pinguino Humboldt
  • an den vielen Obst- und Traubenplantagen im Valle del Elqui. Aus den Trauben wird Pisco gebrannt. Ganz wichtig (aus Sicht der stolzen Chilenen): Pisco wird aus Wein und darum aus den ganzen Trauben hergestellt, nicht wie der Grappa nur aus dem Trester. Deshalb bezeichnen die Leute hier den Grappa als "Muell" ;-) Natuerlich haben wir von dem "Zauberwasser" probiert...
  • an schoenen Straende, die aber (noch) menschenleer sind

Oben: Der Standard der Innenhoefe von chilenischen Hostals. Bis jetzt... ;-)
Unten: Ein Foto durch das Teleskop - nicht aus dem Internet kopiert und unbearbeitet!





Oben & unten: Antofagasta - wieder mal am Meer (erst das 3. Mal seit Anfang August...) 



Oben: Humboldt-Pinguine. Dank des kalten Meeresstroms leben sie auch hier.


Oben: Valle del Elqui
Unten: Sonnenkollektoren - zum Kochen & Backen! 

Oben: Marcellino, unser allwissender Guide

Dienstag, 16. November 2010

Chrüsimüsi

Verkleinerungen
Unsere deutschen Freunde belaecheln uns Schweizer ja immer ein wenig, dass wir alles es Bitzeli mit -li verkleinern. Tischli, Broetli, Heftli, ... Die Suedamerikaner, allen voran die Bolivianer, sind aber keinen Deut besser. So wird aus:

mama > mamita
helado (Glace) > heladita
cafe > cafecito
té > tecito
hasta luego (bis bald) > hasta luegito (was dann so viel wie "bis baeldchen" heisst)

Dasselbe kann man auch mit allerhand Namen machen:
Pablo > Pablito
Pedro > Pedrito (Peterli ;-))

Und der Hoehepunkt kommt bei:
pequeña problema (kleines Problem) > pequeñita problemita (klitzekleines Problemchen)
chica (klein oder kleines Maedchen) > chiquita oder sogar chiquitita

Sodali, das musste jetzt einfach mal gesagt sein, liebe Deutschelein!

Verwirrung auf der Strasse
In Ecuador, Peru und Bolivien haben Fussgaenger genau 0 Rechte. Also schon gar keinen Vortritt. Das haben wir schon bald gemerkt und etwas spaeter auch (zaehneknirschend) akzeptiert. Zum Wohl unserer Fuesse. Mindestens. Hier in Chile, funktioniert das etwas anders: Die Autos halten fuer jeden Fussgaenger, oftmals auch, wenn's keinen Fussgaengerstreifen hat. Und wir zwei stehen dann jeweils wie Deppen verwurzelt am Strassenrand (gedrillt nach suedamerikanischer Art), bis sich der Autofahrer vor lauter Fuchteln fast die Schulter ausrenkt.

Jasskönig
Ab sofort ist es offiziell moeglich, mit El Sidel Obenabe, Undeufe, Trumpf, Slalom und Misère zu jassen. Nach sage und schreibe mehr als 30 Jahren Abstinenz und Verweigerung. Doch der "Sidi" liegt sinnigerweise noch nicht drin. Wunder brauchen bekanntlich etwas laenger! ;-)

Donnerstag, 11. November 2010

Wunderschoene Wueste

Unterdessen hat uns Chile "waermstens" empfangen: Mit T-Shirt und Kurzhose / Rock assen wir heute unser erstes Zmorge hier. Am Schattentischli versteht sich - direkt vor unserem Zimmer... Pfffff... Und der Wunsch nach Siesta ist bei diesen Temperaturen groesser als auch schon. ;-) Wir sind gespannt auf die naechsten Wochen, die wir hier in Chile verbringen werden. Bis jetzt ist alles etwas anders als noch gestern in Bolivien. S'faengt an bei den kleinen Dingen des Lebens: Papier und Seife im Bad vorhanden, Empanadas (gefuellte Teigtasche) mit salzigem statt suesslichem Teig, Zmorgebroetli mit Teig statt Luft gefuellt, eine andere Waehrung (1 Fr. sind ungefaehr 500 Pesos - kommt uns vor wie frueher mit den italienischen Lira), geteerte Strassen, usw...

Aber noch zu den letzten Tagen in Bolivien. Vier Tage fuhren wir mit Nadège und Paul Jorge aus Neu Kaledonien durch die Pampa im Suedwesten des Landes inklusive der einzigartigen Salzwueste "Salar de Uyuni". Und wer jetzt nicht weiss, wo Neu Kaledonien ist - macht nichts, wir mussten es uns auch erklaeren lassen ;-). Fahrer Erwin (nein, kein Zugewanderter) und Koch Hector (nicht zu verwechseln mit Hannibal Lector) verwoehnten uns wie Koenige. Super Essen, super Fahrstil (bei den Holperpisten nicht unwichtig) und immer wieder super Musik, inkl. DJ Bobo mit "Everybody" ;-)! Und oben drauf die "osennig rüdig böimig verreckte" Landschaft (u.a. verziert mit Flamingos, die wir ja auf Galápagos vermisst haben).

Weil ein Bild bekanntlich mehr als 1'000 Worte sagt, hier ein paar söttige. Es ist nur eine kleine Auswahl unserer Fotos. Wir haben es das erste Mal fertig gebracht, pro Tag einen ganzen Akku zu leeren...


Oben: Lamas und Vicuñas haben wir haufenweise angetroffen
Unten: Unsere haushohe Fussball-Niederlage auf ueber 4'000 m.ü.M. - schnauf, schnauf...

Oben: Eine "Moos-Oase" mitten in der Wueste

Oben: Wind wirbelt Salze und andere Mineralien auf
Unten: Ein warmes Bad auf gut 4'500 m.ü.M.



Oben & unten: Geysir-Feld auf ueber 5'000 m.ü.M.


Oben: Noch mehr Flamingos ;-) - am Zmorgen-Schlemmern im warmen Wasser
 
Oben: Flugsaurier? Genau!
Unten: Glücksschwein Nici sonnt sich unter dem Stein-Baum


Oben: Unsere Gspaendli Nadège und Paul Jorge
Unten: Liebe auf den 1. Blick...

Oben: Gourmet zum 1. - Ein zahmes Viscacha (Verwandter des Chinchilla) am Zmittag
Unten: Gourmet zum 2. - Unser taegliches Buffet. Mit viel Gemuese. 

Oben: S'ist als ob man zu einer Skitour fahren wuerde, einfach auf Salz ;-)...
Und dann, kurz vor 6 Uhr geht die Sonne auf...






Oben: Nein, nicht eine Schneebar, sondern das Salzmuseum in der Wueste Uyuni - aus Salz gebaut
Unten: Zum Anbeissen - wen/was auch immer... 

Oben & unten: Abend- und Morgenstimmung auf dem Weg nach Chile

Freitag, 5. November 2010

Zwischen Gott und dem Teufel

Aus China hoeren wir immer wieder, dass dort soundsoviele Bergarbeiter umgekommen sind. Meistens verschuettet oder eingeschlossen und erstickt. Die DRS-Meldung hoert dann meistens immer gleich auf - mit einer Statistik. Z.B.:

"Im vergangenen Jahr starben in chinesischen Kohlebergwerken nach offiziellen Angaben mehr als 2'600 Menschen. Die tatsächlichen Zahlen dürften allerdings noch deutlich höher liegen."

Ich, Silvan, habe beschlossen, eines der gefaehrlichsten Bergwerke der Welt zu besuchen. Nicht in China, logisch, aber in Potosí, Bolivien. Angestachelt von der unsaeglichen (emotionalen und geografischen) Distanz zwischen meinem Arbeitsplatz und oben genannten Nachrichten.

Seit der Kolonialzeit wird der Cerro Rico ("reicher Berg") in Potosí durchloechert, in der Hoffnung, moeglichst viel Silber und Zink zu finden. Hunderte Minen stecken in dem Berg. Die Mineure arbeiten in Eigenregie. Heisst: Sie bestimmen, wie viel sie arbeiten. Auch muessen sie saemtliche Ausruestung selbst bezahlen (von der Schutzbekleidung ueber den Sprengstoff bis hin zur Schaufel). Der Anfangslohn eines Mineurs liegt bei ca. 750 Bolivianos pro Monat. Knapp 110 Franken. Wer ein paar Jahre dabei ist, schafft's zum so genannten "1. Mineur". Diese arbeiten an der Front mit Presslufthammer und Sprengstoff, gefaehrlicher und noch ungesuender, dafuer gibt's pro Monat bis zu 350 Franken.

Spaetestens nach 10-15 Jahren in der Mine ist Schluss. Dann sterben die meisten Bergarbeiter an Silikose. Ihre Lunge ist vernarbt und verklebt, sie ersticken. Andere (weitaus mehr) werden von Felsbrocken erschlagen oder eingeschlossen. Auch sie ersticken und hinterlassen oft eine Familie. Von der Witwenrente kann man hier keine Familie ernaehren. Also ruecken die Mineurs-Soehne nach. Denn Frauen duerfen in Potosí nicht in den Minen arbeiten. Das bringe Unglueck, so der Glaube. Der juengste Mineur, der zur Zeit im Cerro Rico fuer seine Familie schuftet, ist 11 Jahre alt (laut offiziellen Angaben). Aber was heisst schon "offiziell" in einem Umfeld, das seine Regeln selbst definiert?

Gemaess eben diesen offiziellen Angaben der 37 verschiedenen Kooperationen arbeiten 10'000 bis 12'000 Menschen in Potosí im Bergbau (zwischen 4'200 und 4'600 m. ue. M.). Also rund 1/10 der Bevoelkerung von Potosí. Letztes Jahr habe der Berg 65 Kumpel "gefressen".

Mein Besuch dieser unwirklichen Arbeitsstaette begann steil: Mit einem Einkauf im Mineuren-Laedli. Der Ort, wo die Kumpel ihr Material einkaufen. Neben Stiefeln, Lampen, Cocablaettern und Suessgetraenken bekommt man hier auch alles, was es zum Sprengen braucht. Ohne Bewilligung und Papierkram. Ein Saeckchen mit Lunte, Sprengstoff und Sprengverstaerker kostet laeppische 20 Bolivianos. Rund 3 Franken. Ich kaufte 5 Ladungen und eine grosse Flasche Orangina, um sie spaeter den Schwerstarbeitern zu schenken. Danach noch kurz eine Raffinerie besichtigt, wo das Material der Minen veredelt und exportbereit (fuer China, Japan, Russland,...) gemacht wird. Nun fuhren wir mit den Jeep zum Cerro. Den Sprengstoff zwischen den Beinen auf dem Boden. Bei der Mine angekommen ging's rund 500 Meter in den Berg. 2 Stunden waren Luke aus England, unser Fuehrer und ich unterwegs. Immer wieder mussten wir rennen und den rund 2 Tonnen schweren Wagen Platz machen, mit denen die Mineure das Rohmaterial umher transportieren. Die Wagen haben keine Bremse. Wir husteten viel, wegen des Staubs und der Anstrengung. Das Tuch ueber Mund und Nase nuetzte so gut wie nichts. Die 4 Ebenen der Mine sind durch einen staubig-steinigen Kriechgang verbunden. Ich dachte mir: Gut, dass ich mir enge Hoehlenbegehungen gewohnt bin.

Nach der Hoellentour demonstrierte uns der Fuehrer die Kraft der mitgebrachten Sprengladungen. Wir bauten sie selbst zusammen und er brachte sie in sicherer Distanz zur Explosion.

Franziska blieb waehrend der ganzen Zeit in der Stadt zurueck und war froh, als ich zur abgemachten Zeit zur Café-Tuer reinkam (ich ehrlich gesagt auch ;-))...

Fuer Interessierte gibt's den preisgekroenten, Dokumentar-Film "The Devil's miner". Er wird selbst von den Mineuren in Potosí als sehr authentisch bewertet.

Oben: Das Objekt der Begierde - der Cerro Rico
Unten: Eine der Raffinerien. Sie kaufen den Mineuren das Erz ab und machen es exportbereit. 

Oben: Schon am Eingang der Mine "Candelario" kommt das erste Wasser
Unten: Sicherheitsstandards sind oftmals eine Frage des Geldes. Holz ist die billigste Loesung.

Oben: Der Sauerstoffmangel hat mir schon etwas zugesetzt
Unten: Die Kumpel karren einen Erzwagen zur Verladestelle. Leergewicht ca. 500 kg. 

Oben: Material von Level 3 wird runter zu Level 4 gefugt
Unten: Wenn der Wagen kommt gibt's nur eines: Aus dem Weg!


Oben: Angekommen. Nun muss das rund 2 Tonnen schwere Ding geleert werden.
Unten: Auf dem Weg zum naechsten Verladen haut's den Wagen erneut von den lausigen Schienen.


Unten: Pedrito (15) nimmt's locker. Das passiere mehrmals taeglich...

Oben: El Tío - der Teufel. Jede Mine hat ihr eigenes Abbild des Teufels. Jeden Freitag beschenken die Kumpel ihn mit Cocablaettern, Alkohol oder Zigaretten. Auf dass er sie nicht bestrafen moege, obwohl sie immer weiter in sein Reich eindringen. Sonntags dann, geht's in die Kirche - Gott anbeten.
Oben: Draussen angekommen, bauen wir die Sprengladung selbst
Unten: Der Guide bringt sie fuer uns zur Detonation